Editha Westmann: Intensivsprachkurse in Friedland sind das Gebot der Stunde
Die Niedersächsische Landesbeauftragte für Heimatvertriebene, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, Editha Westmann MdL, hat heute Vormittag das Grenzdurchgangslager Friedland besucht. Im Gespräch mit Lagerleiter Klaus Siems standen die Auswirkungen des Krieges in Osteuropa im Mittelpunkt. Anschließend traf die Landesbeauftragte Westmann mit geflüchteten Familien aus der Ukraine zusammen. Es handelte sich um zwei Mütter mit ihren Kindern. Eine der Frauen erfüllt den Spätaussiedlerstatus. Die Strapazen ihrer viertägigen Flucht bis Friedland standen ihnen ins Gesicht gezeichnet. Sie zeigten sich ausgesprochen dankbar für die zugewandte Aufnahme im Grenzdurchgangslager.
„Mit den momentan verfügbaren Kräften lassen sich bislang alle in Friedland eintreffenden Menschen aus der Ukraine aufnehmen und versorgen. Allerdings kann sich die Situation schnell verändern. Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Lage dramatisch zuspitzt. Aus diesem Grund ist daran zu erinnern, dass das Grenzdurchgangslager Friedland in der Vergangenheit oft bewiesen hat, noch wesentlich größere Zahlen an notleidenden Menschen auffangen zu können“, so die Landesbeauftragte Editha Westmann.
Angesichts des Krieges in der Ukraine dürfen alle ukrainischen Staatsbürger als Flüchtlinge in die EU visumfrei einreisen. Dies gilt auch für die schätzungsweise 25.000 bis 30.000 Personen, die der deutschen Minderheit angehören und aufgrund der besonderen Situation in der Ukraine nun direkt in der Landesaufnahmebehörde in Friedland ihr Aufnahmeverfahren als Spätaussiedler beantragen können.
Es ist zu erwarten, dass aus diesem Personenkreis ca. 2000 bis 3000 Menschen kriegsbedingt in der nächsten Zeit zu uns kommen werden. Allerdings ist zurzeit nicht verlässlich abzusehen, wie viele Personen aus dieser Gruppe tatsächlich ein Aufnahmeverfahren nach dem Bundesvertriebenengesetz anstreben werden. Momentan wird mit 1000 bis 1500 Personen gerechnet, von denen ein nicht unerheblicher Teil über keine oder nur sehr geringe Deutschkenntnisse verfügt. Diese Menschen würden somit den erforderlichen Sprachtest für die Durchführung eines sogenannten Härtefallverfahrens in der Außenstelle des Bundesverwaltungsamtes nicht bestehen.
„Eine Erleichterung bei den rechtlichen Voraussetzungen zur Anerkennung der Spätaussiedler nach dem Bundesvertriebenengesetz wird nicht in Aussicht gestellt, so dass nach wie vor ein Sprachnachweis zu erbringen ist. Wegen der besonderen Situation bietet das Bundesverwaltungsamt Lösungen im Einzelfall an. Diese halte ich jedoch bei näherer Betrachtung in der praktischen Umsetzung für unzureichend und wenig zielführend“, so Editha Westmann.
Die Landesbeauftragte merkt hierzu weiter an: „Wenn es uns nicht gelingt, den deutschstämmigen Personenkreis in dem gesetzlich festgelegten Zeitraum durch das Aufnahmeverfahren zu bringen, verlieren die Betroffenen ihren Status und werden ausländerrechtlich behandelt. Die aus der Ukraine geflüchteten Menschen hatten keine Möglichkeit, sich im Herkunftsland auf ein Aufnahmeverfahren als Spätaussiedler vorzubereiten. Das darf ihnen keinesfalls hier bei uns zum Nachteil werden.“
Da davon auszugehen ist, dass in allen Aufnahmeeinrichtungen Spätaussiedler aus der Ukraine eintreffen werden, ist dafür Sorge zu tragen, dass sie auch als Spätaussiedler registriert und umfänglich über die Möglichkeit des Aufnahmeverfahrens informiert werden.
Um den geflüchteten Spätaussiedlern aus der Ukraine ein taugliches Angebot für das Erlangen des notwendigen Sprachnachweises zu unterbreiten, sollten ihnen umgehend Sprachkurse angeboten werden. Es ist davon auszugehen, dass drei Wochen ausreichen würden, um alle Spätaussiedler hinreichend auf den erforderlichen Sprachtest im Aufnahmeverfahren vorzubereiten. Die intensiven Deutschkurse sollten neben der deutschen Sprache auch Alltagskompetenzen vermitteln. Diesbezüglich sind bereits gute Erfahrungen mit den Willkommenskursen für Spätaussiedler gesammelt worden, die sehr erfolgreich über mehrere Jahre in Friedland angeboten wurden.
Die Landesbeauftragte Editha Westmann plädiert dafür, umgehend Kapazitäten zu schaffen, um die aus der Ukraine geflüchteten Spätaussiedlerfamilien für drei Wochen unterbringen und ihnen Intensivsprachkurse anbieten zu können. „Die Kostenübernahme für Unterbringung und Verpflegung, Betreuung der Kinder und Sprachkurse muss unter Beteiligung des Bundes und gegebenenfalls der anderen Länder erfolgen. So bleibt es bei überschaubaren Kosten, die einen hohen Nutzen versprechen.“
Herausgeber: Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur