Niedersachsen probt den Ernstfall: Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Während einer Großübung auf dem Gelände des Technischen Hilfswerks (THW) in Barme (Landkreis Verden) wurden heute (18. August) tote Wildschweine aus Wald und Fluss geborgen. Extra ausgebildete Suchhunde waren im Einsatz, um Wildschweine zu lokalisieren. Durch die realitätsnähe Simulation werden Abläufe zur wirksamen Eindämmung der hoch ansteckenden Tierseuche trainiert. Für Menschen ist das Virus ungefährlich.
Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast nahm an der praktischen Übung teil. Sie zeigte sich beeindruckt von der professionellen Durchführung der einzelnen Maßnahmen, die zur wirksamen Eindämmung der hoch ansteckenden Tierseuche beitragen sollen. „Vor dem Hintergrund der aktuellen Ausbrüche in Brandenburg ist die Gefahr leider real“, so die Ministerin. Für Niedersachsen hätte ein ASP-Ausbruch eine enorme wirtschaftliche Dimension. Bundesweit werden 24,6 Millionen Schweine (Stand 3. Mai 2021) gehalten, davon allein in Niedersachsen 9,4 Millionen.
„Ich danke allen, die sich zur Mitwirkung bei der Bekämpfung der Tierseuche bereit erklärt haben. Was ich heute hier beobachten durfte, ist eine großartige Teamleistung der Beteiligten. Leider gibt es keinen hundertprozentigen Schutz. Deshalb ist es gut, dass wir vorbereitet sind, um im Ernstfall die Weiterverbreitung der ASP zu verhindern“, lobte die Ministerin.
Otte-Kinast dankte dem Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) für die Vorbereitung und Koordination der Übung. Aus ganz Niedersachsen haben sich für die vier Übungstermine mehr als 160 Teilnehmer und Teilnehmerinnen angemeldet. Es nehmen neben Vertretern der niedersächsischen Veterinärbehörden vor allem Personen aus Institutionen teil, die bei Ausbruch der ASP diese Behörden maßgeblich bei der Tierseuchenbekämpfung unterstützen werden, wie beispielsweise Landesjägerschaft Niedersachsen, Technisches Hilfswerk, Bundeswehr, Feuerwehr, Niedersächsische Landesforsten, Maschinenringe und Landvolk.
Während des Pressetermins wurden zwei Übungen gezeigt: Zunächst die Bergung eines toten Wildschweins im Wald. Danach die Suche mit ausgebildeten Hunden nach einem toten Wildschwein im Gelände. Die Ausbildung von 23 Kadaversuchhunden wurde ebenso vom ML finanziert wie die neue Wildtier-Koordinaten-Erfassungs-App (WilKEA). Damit sollen nicht nur die Koordinaten des Fundorts erfasst werden, sondern auch die Probendaten des toten Tieres. Bei einem eventuellem Ausbruch der ASP soll WilKEA von den durch die betroffenen kommunalen Veterinärbehörden eingesetzten Bergeteams verpflichtend angewendet werden. Die erhobenen Daten werden in eine Datenbank hochgeladen, auf die das jeweilig zuständige Veterinäramt und die Untersuchungslabore des LAVES Zugriff haben.
Bei einem Seuchenverdacht müssen von den Tieren Blutproben durch einen amtlichen Tierarzt genommen werden. Diese Proben werden in den Lebensmittel- und Veterinärinstituten Braunschweig/Hannover und Oldenburg des LAVES untersucht. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den LAVES Laboren leisten bei den Probeuntersuchungen hochprofessionelle Arbeit und können im Ernstfall schnell und zielgerichtet agieren“, so Prof. Dr. Eberhard Haunhorst, Präsident des LAVES.Es können täglich mehr als 2.500 Proben untersucht werden. Ist eine Probe positiv, wird diese zur weiteren Bestätigung an das nationale Referenzlabor (NRL) des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) weitergegeben. Sofern die Probe auch im FLI positiv bestätigt wird, gilt der Ausbruch als amtlich festgestellt.
Im vergangenen Jahr wurden in den LAVES Lebensmittel- und Veterinärinstituten Braunschweig /Hannover und Oldenburg aus den verschiedenen Monitoringprogrammen 13.200 Wildschweinproben und 5.500 Proben von Hausschweinen auf ASP untersucht: In diesem Jahr sind es bisher bereits 4.500 Proben von Wildschweinen. Alle Untersuchungen wurden mit negativem Ergebnis abgeschlossen.
Aber nicht nur die Untersuchungsinstitute des LAVES sind für den Krisenfall vorbereitet, ebenso das Task-Force-Veterinärwesen mit ihrer ASP Koordinierungsstelle. Im Tierseuchenfall leistet das LAVES auch Unterstützung vor Ort im Landkreis. „Unsere Mitarbeiter stehen den örtlichen Krisenzentren für alle Fragen rund um die Bekämpfung der Tierseuche zur Verfügung“, betonte Haunhorst.
Das LAVES hat in 2014, 2018 und 2021 ASP-Großübungen landesweit angeboten, bei bundesweiten und länderübergreifenden Übungen mitgewirkt und die regelmäßigen Übungen der kommunalen Veterinärbehörden in Niedersachsen zum Teil begleitet.
Hintergrund:
Die Übung findet auf dem Gelände des THW statt. Dort steht das Mobile Bekämpfungszentrum (MBZ). Dabei handelt es sich um ein Logistikzentrum für die Durchführung und Koordinierung von Bekämpfungsmaßnahmen für hoch ansteckende Tierseuchen. Der transportable Komplex von Büro-, Kommunikations- und Hygieneeinheiten in Containerbauweise ist eine Gemeinschaftseinrichtung aller Bundesländer, die bei Ausbruch einer Tierseuche deutschlandweit zum Einsatz kommen kann. So kann das MBZ im Seuchenfall möglichst dicht an den zentralen Einsatzort transportiert werden.
Nach den MKS-Seuchenzügen (2001) in Großbritannien und den Niederlanden wurde 2001 in der Agrarministerkonferenz der Beschluss gefasst, nach dem Vorbild des niederländischen Tierseuchenbekämpfungszentrums (RCC), ein MBZ für Deutschland einzurichten. Das MBZ besteht aus 71 Containern; beschafft wurde es 2006. Kosten: 3,5 Millionen Euro (Anschaffung 2,5 Millionen + 1 Million für das Sachmittellager: Schutzkleidung, Desinfektionsschleusen, tierärztliche Materialien). Die jährlichen Unterhaltskosten liegen bei etwa 120.000 Euro (die Umlage für die Länder wird nach dem Tierartenschlüssel errechnet – Niedersachsen und Bayern liegen bei jeweils etwa 25 Prozent der Kosten).