Wissenschaftsminister Björn Thümler: „Gesund durch Fußball“
Hoher Blutdruck, Rauchen, Bewegungsmangel und Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, aber auch psychischer Stress und Depressionen sind für über 90 Prozent der Herzinfarkte verantwortlich. Trotzdem leben viele Menschen in Deutschland mit diesen Risikofaktoren. Körperliche Aktivität verbessert nahezu alle wichtigen kardio- und cerebrovaskulären Risikofaktoren und ist selbst bei der Entwöhnung von Nikotin hilfreich. Um Menschen zu verstärkter körperlicher Aktivität anzuspornen, fördert das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur die „MY-3F-Studie: Fit und Fun mit Fußball nach Myokardinfarkt oder koronarer Herzerkrankung“ mit mehr als 200.000 Euro.
„Wissenschaft, Fußball und Gesundheit miteinander zu verbinden ist eine tolle Sache“, so der Niedersächsische Wissenschaftsminister Björn Thümler. „Damit zeigt sich, dass Wissenschaft lebenswichtige Fragestellungen adressieren, den Beteiligten zugleich Spaß machen und dabei eine hohe Breitenwirkung entfalten kann“, so der Minister weiter.
Deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung bewegt sich weniger als medizinisch empfohlen. Besonders bedenklich ist, dass sich langjährig inaktive Personen mit Risikofaktoren oder bereits bestehender Herzerkrankung besonders schwer wieder für körperliche Aktivität gewinnen lassen. Offensichtlich erreichen die Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften nicht das Ziel, ausreichend Menschen für mehr körperliche Aktivität zu gewinnen, um dessen präventives Potenzial auszuschöpfen.
Studien belegen, dass auch Patientinnen und Patienten mit bestehender koronarer Herzkrankheit (KHK) oder nach einem Herzinfarkt hinsichtlich der Prävention von Risikofaktoren für Herzinfarkt wie Fettstoffwechselstörung (hohes LDL-Cholesterin), Adipositas und Diabetes nicht ausreichend mit Medikamenten eingestellt sind. Und auch lebensstilfördernde Maßnahmen wie Bewegung, gesunde Ernährung und Rauchverzicht werden nicht ausreichend umgesetzt. Dabei ist die Verbesserung der körperlichen Aktivität auch bei diesen Patientinnen und Patienten ein Kernelement bei der Verhinderung des Fortscheitens der Erkrankung oder eines neuen Herzinfarktes.
Vor diesem Hintergrund unterstützt die Deutsche Herzstiftung das Forschungsprojekt mit einer zusätzlichen Förderung in Höhe von rund 70.000 Euro. „Der Lebensstilfaktor Ausdauerbewegung ist enorm wichtig, um das Risiko für Herzinfarkt und andere Herz-Kreislauf-Komplikationen wie Schlaganfall oder plötzlicher Herztod zu verringern“, betont der Kardiologe und Vorstandsvorsitzende der Deutschen Herzstiftung, Prof. Dr. Thomas Voigtländer. „Wir fördern dieses Projekt, weil Fußball als populärer Breitensport die Bewegung fördert und damit zur Verbesserung der kardiovaskulären Prävention in Deutschland in bedeutsamem Umfang beitragen kann.“
Die Studie wird gemeinsam von der Universitätsklinik für Kardiologie im Klinikum Oldenburg, der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, dem Institut für klinische Forschung in Cloppenburg und der Nephrologie am St.-Josefs-Hospital Cloppenburg unter der Studienleitung von Prof. Dr. J. Schrader, PD Dr. S. Lüders, Dr. B. Schrader und Prof. Dr. A. Elsässer durchgeführt. In dem Studienbeirat finden sich renommierte Wissenschaftler aus Göttingen, Hannover und München.
Warum ausgerechnet Fußball?
Fußball ist die mit Abstand beliebteste und populärste Sportart Deutschlands. Die Verbreitung in allen Regionen Deutschlands und die starke Infrastruktur sind von Vorteil, wenn es darum geht, mehr Menschen mit Risikofaktoren oder bestehender Herzerkrankung zu körperlicher Aktivität zu ermutigen. Allerdings hat Fußball als Präventions- oder Gesundheitssportart derzeit praktisch keine Bedeutung. Dies liegt einerseits an der fehlenden wissenschaftlichen Datenlage zur Frage, inwiefern bestimmte Gesundheitsparameter durch Fußball verbessert werden. Zudem gibt es neben dem typischen auf Wettkampf ausgerichteten Fußball kaum Angebote für ausschließlich auf Gesundheitsaspekte angelegtes Fußballspielen. Dies gilt insbesondere für ältere Personen mit Risikofaktoren oder bereits bestehender koronarer Herzerkrankung. Der wettkampforientierte Fußball wird den speziellen Bedürfnissen von lange inaktiven Personen mit Risikofaktoren oder Herzerkrankungen nicht gerecht – auch wegen der Verletzungsgefahr.
Der Weg zum gesunden Fußball
Deshalb wird in dieser Studie ein Trainingsformat verwendet, das auf Verbesserung von Fitness, Spaß und Gesundheit durch Fußball ohne wesentliches Verletzungsrisiko ausgerichtet ist. Dieses Konzept „Gesundheitsfußball“ wurde von der Studiengruppe entwickelt und beinhaltet den Verzicht auf direkte Zweikämpfe und gefährliche Kontaktaktionen. Der Schwerpunkt liegt auf einem zielgruppenorientierten Pass- und Laufspiel. Das Konzept beinhaltet: Balleroberung über Laufen statt Tacklings sowie Unterbrechung des Trainings mit Dehnübungen zur Vorbeugung von Muskelverletzungen und den vermehrten Einbau von Koordinations- und Kognitionsübungen. Jeder Teilnehmende hat unabhängig von seinen fußballerischen Fähigkeiten gleich viele Ballkontakte. Zu einem derartigen Programm gehören auch leichtere Bälle. Voraussetzung dazu sind ausgebildete Trainer, die ein derartiges Konzept in einer Gruppe umsetzen. In der ersten „3F-Studie: Fit und Fun mit Fußball“ wurde dieses Programm für „Gesundheitsfußball“ bei Teilnehmern mit Risikofaktoren für Herzkreislauferkrankungen erfolgreich eingesetzt. Die primären Ziele (Blutdrucksenkung, Gewichtsabnahme, Reduktion von Medikamenten) wurden erreicht, ohne dass es zu wesentlichen Verletzungen kam.
Warum eine zweite Studie?
Der nächste Schritt ist es, den Gesundheitsfußball auch in der Sekundärprävention, also bei Patientinnen und Patienten mit bestehender koronarer Herzerkrankung oder abgelaufenem Herzinfarkt zu etablieren und erneute Ereignisse zu verhindern. Neben der Verbesserung der klassischen Risikofaktoren und der Fitness sind gerade auch die nachgewiesenen günstigen psychosozialen Effekte des Mannschaftssports Fußball für diese Patientengruppe besonders bedeutsam. Körperliche Fitness ist auch bei koronarer Herzerkrankung mit einem geringeren Risiko für Depressionen und für die kardiovaskuläre Sterblichkeit verbunden. Körperliche Aktivität verbessert das Körperbild und die Bewältigungsstrategien des Patienten mit der Erkrankung, mindert Stress und erhöht die generelle Lebensqualität und Unabhängigkeit bei Aktivitäten des täglichen Lebens bei älteren Erwachsenen. Mannschaftssport wirkt sich dabei zusätzlich noch auf zwei weitere Faktoren günstig aus, die als Auslöser für seelische Krisen gelten: soziale Ausgrenzung und das Gefühl, isoliert zu sein und für sich allein zu stehen.
Ziel der neuen Studie
Ziel der anlaufenden MY-3F-Studie ist es, das erfolgreiche 3F-Trainingskonzept „Gesundheitsfußball“ in einer Studie bei Patientinnen und Patienten mit bestehender koronarer Herzerkrankung oder nach Myokardinfarkt im Vergleich zu einer Kontrollgruppe einzusetzen. Körperlich inaktive Patientinnen und Patienten mit Herzerkrankungen trainieren über ein Jahr einmal die Woche für 90 Minuten unter einem für Gesundheitsfußball DFB lizenzierten Trainer. Ziele sind unter anderem die Verbesserung von Risikofaktoren bei koronarer Herzerkrankung durch Gesundheitsfußball, die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und die Reduktion von Stress und Depressionen. Das Konzept von Gesundheitsfußball soll langfristig landesweit etabliert werden, daher sind eine Anbindung an lokale Fußballvereine erfolgt und eine Ausbildung von Trainern erforderlich. Um ein langfristiges Präventionsangebot zu schaffen, wurden bereits Vereine eingebunden und eine Zusatzqualifikation von Trainern speziell für „Gesundheitsfußball“ vom DFB geschaffen.
Insgesamt haben 16 Frauen und 74 Männer bereits für eine Teilnahme an der MY-3F-Studie zugesagt, insgesamt 110 bis 120 Studienteilnehmer sollen in die Studie eingeschlossen werden.
Herausgeber: Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur